Was macht eigentlich Übertragungsnetzbetreiber TenneT seit der Erklärung der Koalitionsspitzen, dass es für SuedLink und die anderen HGÜ´s neue Rahmenbedingungen vorrangig im Sinne der Erdverkabelung geben werde?
Ein Unternehmen, das mit der Planung eines Projektes dieser Größenordnung beauftragt ist, muss sich doch fragen, wer übernimmt die bereits entstandenen Kosten für eine Auftragsleistung in letztendlich Milliardenhöhe? Man vergesse nicht den Bürgerdialog, der zwar nichts gebracht, aber dennoch Geld gekostet hat. Der Antrag auf Bundesfachplanung für den SuedLink wurde aus mehreren Gründen zurückgewiesen, für den Präsidenten der Bundesnetzagentur Jochen Homann hieß dies im übertragenen Sinn, nach Schulnoten: MANGELHAFT ! – unzureichende Begründungen, Umweltauswirkungen nicht gebührend beachtet, unklare Bewertungsmaßstäbe, keine Transparenz.
Egal welche Planungsfehler gemacht wurden und welche Versäumnisse in der Vergangenheit zu beanstanden waren, die Fa. TenneT wird versuchen ihre Hände in Unschuld zu waschen und relativ entspannt in die nächste Runde im Übertragungsnetz-Poker gehen. Doch nicht nur die Planungen zu SuedLink waren mangelhaft, auch andere Verpflichtungen konnten nicht eingehalten werden. Übertragungsnetzbetreiber TenneT sei seiner Aufgabe nicht gewachsen, beklagte die Geschäftsführung des Trianel Windparks Borkum. Immer wieder kam es zu Verzögerungen bei der Netzanbindung des Offshore-Parks in der Nordsee, die den Bauablauf durcheinander brachten und die Kosten für die Investoren weiter in die Höhe trieben. Mit dem Ergebnis, dass die Trianel GmbH bereits im Jahr 2012 eine Schadensersatzklage gegen TenneT einreichte. Warum konnte die Netzanbindung nicht planmäßig fertigstellt werden? Eins ist klar, SuedLink hat damit nichts zu tun. Der Windpark Borkum sollte pro Jahr über 800 Millionen kWh Strom produzieren, rein rechnerisch könnte man damit 200.000 Haushalte versorgen. Die Investitionskosten und die zusätzlichen Vorleistungen der 33 hauptsächlich kommunalen Gesellschafter liegen im Milliardenbereich. Und auch der Offshore-Park Riffgat sorgte in der Vergangenheit für kostenträchtige Probleme. Nur TenneT will keine Schuldeingeständnisse machen.
Doch können wir uns diese Unzuverlässigkeiten leisten? Nicht wirklich, denn: Im Jahr 2012 hatte die damalige schwarz-gelbe Regierung die sogenannte Haftungsumlage eingeführt. Somit kann das wirtschaftliche Risiko auf die Allgemeinheit abgewälzt werden, denn bereits ab dem elften Tag verzögerter Netzanbindung, besteht Anspruch auf Schadensersatz. 90 Prozent der entgangenen Einnahmen können dem Netzbetreiber angelastet werden und dieser darf – wen wundert es eigentlich?! – die Kosten vollständig auf die Stromkunden übertragen.
Wenn TenneT seinen Verpflichtungen nicht verbindlich nachkommen kann, wie sollte dann das Großprojekt HGÜ-Leitungen vertragsgerecht umgesetzt werden? Wie realistisch ist die Befürchtung, dass es auch hier zu Millionen Mehrkosten für die Endverbraucher kommen könnte? Der Stromhandel mit erneuerbarer Energie ist vielversprechend und ein lukratives Geschäftsmodell für die Zukunft. Auch TenneT möchte hier mitspielen und drängt auf den zügigen HGÜ-Leitungsbau. Wir erinnnern: Neubau von Stromtrassen = 9,05% garantierte Rendite für die Übertragungsnetzbetreiber. Dies ist der eigentliche Anreiz für den gigantischen Netzausbau und nicht die Daseinsvorsorge für die Bevölkerung.
Doch es geht auch anders. Abseits aller Spekulationen, wie es nun mit dem Netzausbau weitergehen wird, arbeiten Techniker und Wissenschaftler unter Hochdruck und vielversprechend an der Weiterentwicklung von Speichertechnologien, sodass diese industrietauglich eingesetzt werden können. Angesichts der rasanten Fortschritte neigen inzwischen auch Skeptiker dazu, verstärkt über die alternativen Möglichkeiten zum HGÜ-Netzausbau nachzudenken. Am 2. Juli ließ – von der Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt – eine äußerst interessante Meldung die interessierte Fachwelt aufhorchen: Startschuss für grünen Wasserstoff aus Mainz, Feierliche Inbetriebnahme für Energiespeicherprojekt der Partner Stadtwerke Mainz, Linde, Siemens und Hochschule RheinMain. Ein gelungenes Beispiel für Ressort übergreifende Arbeit zwischen Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik. Nur so kann Großes entstehen. Mit Fördermitteln aus dem Bundeswirtschaftsministerium finanziell unterstützt, kann hier Forschung zukunftsweisend tätig sein. In nur einem Jahr Bauzeit ist eine Anlage entstanden, die künftig mit Hilfe von umweltfreundich erzeugtem Strom, u.a. aus benachbarten Windkraftanlagen, Wasserstoff herstellen kann. Überschüssige elektrische Energie kann somit gepeichert und bedarfsgerecht eingesetzt werden. Die vielfachen Diskussionen um Wirkungsgrad und Kostenfaktor könnten schnell beendet sein, denn wenn erneuerbare Energien flexibel einsetzbar werden und somit dann zur Verfügung stehen, wenn sie gebraucht werden, müssen wir den Strom nicht mehr ins Ausland „verschenken“, wir speichern! Wasserstoff kann einerseits zu Tankstellen transportiert werden und andererseits zur späteren Strom- und Wärmeerzeugung ins Erdgasnetz eingespeist werden. Wer braucht da noch SuedLink?
Kann dies für TenneT zur Krise werden? Es wird sich zeigen, ob der Übertragungsnetzbetreiber die Zeichen der Zeit erkennt, denn die gesellschaftliche Akzeptanz ist der Schlüssel zu einem Energieversorgungssystem der Zukunft. HGÜ-Monstertrassen gehören definitiv nicht dazu. Energiewende ist machbar, in dezentraler Struktur, wertschöpfend für die einzelnen Regionen. Durch Energieparks nach dem Vorbild von Mainz können lokale Engpässe vermieden und auch das Stromangebot kleinerer Windparks jederzeit genutzt werden. Eine richtungsweisende Entwicklung und in jedem Fall ein Erfolgsmodell für die Energiewende in Deutschland und Europa. Wie wird die Politik darauf reagieren? Werden endlich die richtigen Weichen gestellt? Wir werden weiter berichten.