Während der Bundestag (im Schnelldurchgang) noch vor der politischen Sommerpause die Ökostromreform gesetzlich verankert hatte, plant Übertragungsnetzbetreiber TenneT die neue Erdkabeltrasse für den SuedLink. Erste Ergebnisse werden in Kürze erwartet und nachdem die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Konsultation zum aktuellen Netzentwicklungsplan 2025 (NEP) abgesagt hat, stehen auch hier wieder Entscheidungen an.
Inzwischen werden bereits neue Veranstaltungen seitens des Übertragungsnetzbetreibers angekündigt und auch der Bürgerdialog Stromnetz (BDS) zieht fleißig durch die Lande. Was hat sich bei SuedLink 2.0 geändert? Inhaltlich nicht viel, denn den Menschen wird weiterhin suggeriert, dass die Bevölkerung ein Mitspracherecht beim Stromnetzausbau hätte und dass die Übertragungsnetzbetreiber Anregungen und Bedenken bei der Planung berücksichtigen würden. Bei den Beteiligungsmöglichkeiten im Planungsverfahren handelt sich allerdings ausschließlich um ein Anhörungsrecht. Die Planer verstehen es gut, die öffentliche Meinung durch ein ausgeklügeltes Kommunikationsverfahren gleichzuschalten und die Bürger vor Ort ruhigzustellen. Durch den Vorrang der Erdverkabelung bei HGÜ-Trassen wird zwar Kompromissbereitschaft signalisiert, doch ändert dies nichts an der Tatsache, dass man einen gigantischen Netzausbau vorantreiben will, der nach wie vor nicht ausreichend begründet werden konnte, denn jeder weiß – diese HGÜ-Leitungen transportieren nicht nur „Grünstrom“.
Die aktuellen Pläne der Bundesregierung, das Konzept zur zivilen Verteidigung im Katastrophenfall zeitgerecht anzupassen und damit eine bessere Versorgungssicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten, rücken die geplanten Stromautobahnen SuedLink und SuedOstLink ebenfalls in den Fokus. Denn es muss die Frage erlaubt sein, welchen Beitrag diese Megaleitungen für die Aufrechterhaltung der Stromversorgung in Krisenzeiten tatsächlich leisten können.
Durch den Ausfall einer einzigen Leitung, z.B. des SuedLink, entsteht schlagartig eine Verorgungslücke von 4 GW! Dabei spielt es keine Rolle, wodurch eine Katastrophe ausgelöst wird, durch Wetterereignisse, Naturkatastrophen, terroristische Angriffe oder durch Sabotageakte. Bereits heute sind Stromerzeuger und die Übertragungsnetze eine beliebte Zielscheibe für Cyberattacken!
Die gesicherte Energieversorgung ist ein tragender Pfeiler des wirtschaftlichen Erfolges von Deutschland und Europa und dient damit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Die Absicherung dieser Schlüsselstellen des gesellschaftlichen Lebens ist also extrem wichtig. Angriffe, egal welcher Art, auf die Energieerzeugung, das Übertragungsnetz, auf Umspannwerke oder Leitstellen können Kettenreaktionen hervorrufen, wodurch die Stromversorgung in ganzen Teilen Europas lahmgelegt werden kann.
Trotz IT-Sicherheitsgesetz reichen die derzeitigen Maßnahmen zur Absicherung des Energiesektors nicht aus. Gigantische Übertragungsleitungen bilden eine gefährliche Schwachstelle und einen großen Risikofaktor. Bereits in der Planung der Versorgungssysteme muss der Fokus auf größtmögliche Sicherheit gelegt werden. Regionalisierung und Dezentralisierung könnten hierbei der Schlüssel zum Erfolg werden.
Megastromleitungen wie der SuedLink können keinen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung im Katastrophenfall leisten, im Gegenteil: Sie sind ein potentielles Risiko und gefährden die öffentliche Ordnung!
Im Bürgerdialog Stromnetz (BDS) wir dies nicht thematisiert. Obwohl der BDS vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird – und zwar in Millionenhöhe – bedeutet das nicht automatisch, dass hier das Wohl der Bevölkerung im Vordergrund steht. Es handelt sich dabei um gezielte (weil das Ergebnis – Netzausbau um jeden Preis! – schon feststeht) Werbeveranstaltungen, die wir (ehrenamtlich tätigen) Bürgerinitiativen uns nicht leisten können. Fakt ist, gerade in Zeiten des geringen Stromverbrauchs werden Leitungen überlastet, denn Kohle- und Atomstrom werden weiterhin ins Netz eingespeist. Zu unflexibel um auf Einspeiseschwankungen zu reagieren, laufen fossile Kraftwerke und Kernkraftwerke einfach weiter, mit Energiewende oder Versorgungssicherheit hat dies nichts zu tun. Am einfachsten ist es, bei einem Überangebot an Strom die Windkraftanlagen abzuschalten und so wundert es nicht, dass sich die Räder oft nicht drehen.
Das Problem der Energiewende bleibt die Konzeptlosigkeit der Bundesregierung und die ebenfalls fehlende Transparenz bei Anfragen zu den tatsächlichen Gründen, warum man z.B. konventionelle Kraftwerke einfach weiterlaufen lässt, obwohl genügend Strom aus Erneuerbaren Energien zur Verfügung stehen würde – das sind dann Geschäftsgeheimnisse auf die sich die Betreiber berufen.
Eine gewisse Resignation scheint sich breit zu machen, denn politisch beschlossen, gesetzlich verankert, was soll man da gegen die Netzsausbaupläne noch unternehmen? Ein aktuelles Beispiel, das diese Reaktion begründet:
Treffen des Regionalnetzwerk Stromnetz Hessen in Fulda am 29.08.2016. Der Bürgerdialog Stromnetz hatte zum Thema „Welche Auswirkungen hat eine dezentrale Stromerzeugung auf das Netz und den Netzausbau?“ eingeladen, doch die teilnehmenden Bürgerinitiativenvertreter waren irritiert und vom Ergebnis der Veranstaltung enttäuscht. Die vorgestellte Studienarbeit des Öko-Institutes e.V zu Dezentralität und Netzausbau basierte auf Daten der Bundesnetzagentur, was zunächst nicht weiter verwundert. Allerdings werden diese Daten durch die Übertragungsnetzbetreiber ermittelt und diese halten sich bei gezielten Fragen nach den Eingangsparametern auch gegenüber der BNetzA äußerst bedeckt. Also drehen wir uns immer wieder im Kreis: gleiche Fakten, gleiche Ergebnisse.
Obwohl der Eindruck entstand, dass auch das Öko-Institut e.V. den politischen Entscheidungen bzgl. der Energiewende kritisch gegenübersteht, bleibt am Ende die Kapitulation vor den gesetzlichen Vorgaben. Ehrlichkeit in der Diskussion zum Netzausbau sollte selbstverständlich sein und wir Bürgerinitiativen, die wir weder aus öffentlichen Mitteln finanziert, gefördert oder unterstützt werden, können uns den Luxus einer eigenen Meinung leisten. Diese muss nicht zwingend richtig sein, aber wir haben das demokratische Recht, Fragen zu stellen. Vor allem wenn man bedenkt, dass es auch von Energieexperten durchaus eine kritische Meinung zum geplanten Netzausbau gibt.
Bedauerlicher Weise musste MdB Herr Brand (CDU) bereits nach der Begrüßung wieder gehen und auch die Positionierung von Herrn Wächter (Die Grünen) zum Thema Netzausbau/dezentrale Stromerzeugung wurde nicht klar ersichtlich. Herr Reith in Vertretung für MdB Frau Kömpel (SPD) konnte verständlicher Weise nur als Zuhörer der Veranstaltung beiwohnen und so vermissten wir Vertreter der Bürgerinitiativen eine sachorientierte Diskussion mit den politisch Verantwortlichen. Also auf wessen Urteil können/müssen wir uns nun verlassen?
Wir hätten uns gewünscht, dass die Vertreterin des House of Energy e.V. (Kassel), dessen Leiter Herr Prof. Dr.-Ing. Birkner sich schon mehrfach kritisch zur Dimension des geplanten Stromnetzausbaus geäußert hat, die Möglichkeiten der Speichertechnologien und die sich daraus ergebenden Chancen für die Energiewende erwähnt hätte. Das House of Energy unterstützt Innovationen im Bereich der regenerativen und nachhaltigen Energieversorgung durch ressortübergreifende Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Politik, um die Energiewende in Hessen effektiv und effizient zu gestalten. Man hätte sicherlich über viele neue Erkenntnisse berichten können.
Die BDS-Veranstaltungen scheinen immer nach dem gleichen Muster abzulaufen, man versucht die öffentliche Meinung zu beeinflussen und „gleichzuschalten“. Dazu äußert sich Herr Dr. Ahmels, stellvertretender Projektleiter des Bürgerdialoges, in der Hessenschau vom 30.08.2016, (2:35) „Wir erklären und versuchen die Dinge zu erläutern warum sie so sind, wie sie sind“. Es ist zu erwarten, dass auch bei SuedLink 2.0 dem „konstruktiven Bürgerdialog“ eine große Bedeutung beigemessen werden wird. Allerdings ist dieser Dialog keineswegs ergebnisoffen und die Rechnung bezahlen wir Bürgerinnen und Bürger.
Natürlich ist unser Interesse groß, über die Sinnhaftigkeit des Netzausbaus zu diskutieren, allerdings würden wir auch gerne über die Alternativen sprechen. Wir Bürgerinitiativen sind uns unserer Verantwortung in einer demokratischen Gesellschaft bewusst und daher gilt weiterhin:
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – unbequeme Fragen zum Thema SuedLink müssen gestellt werden dürfen.