Stellungnahme NEP 2017-2030 / 2. Entwurf

Bildquelle: BNetzA, Prüfbericht NEP 2030, 2.Entwurf


Allgemeine Stellungnahme zum Netzentwicklungsplan 2030 (2. Entwurf)

Durch den internationalen Klimavertrag von Paris und den Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung sind politisch klare Richtlinien und Ziele formuliert worden, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Die Dekarbonisierung des Energiesystems voranzutreiben und dabei das Gleichgewicht zwischen Ökologie und Ökonomie aufrecht zu erhalten wird die Kernaufgabe künftiger Klima- und Energiepolitik sein.

Die Integration von Strom aus erneuerbaren Energien in die Netzinfrastruktur erfordert neue Richtlinien und Maßnahmen in der Netzplanung. Da Stromnetze auf Erzeugung und nicht auf Bedarf ausgerichtet werden, gerät die Planung des Netzausbaus zunehmend aus den Fugen. Erschwerend kommt hinzu, dass auch der europäische Binnenmarkt und der damit einhergehende Stromhandel eine zunehmende Belastung für das Übertragungsnetz darstellt.

Da Netzausbau laut BNetzA kein „Wunschkonzert“ werden darf, muss sich dies auch auf die überzogenen Forderungen der ÜNB beziehen. Obwohl wir als Bürgerinitiative gegen SuedLink regelmäßig die Möglichkeiten zur Konsultation wahrnehmen, haben unsere Argumente, Einwände und Stellungnahmen anscheinend keinen Einfluss auf die Netzplanung. Solange Bürgerbeteiligung auf ein Anhörungsrecht beschränkt bleibt, werden wir den geplanten Netzausbau weder nachvollziehen können noch akzeptieren. Unsere Argumentation:

  • Die Kritikpunkte unserer bisherigen Stellungnahmen (NEP2025/Szenariorahmen) bezüglich Prozessablauf, Dokumentation und Technik finden weiterhin keine Berücksichtigung. Klimaziele werden, obwohl durch Pariser Klimaabkommen gesetzlich festgeschrieben und den nationalen Klimaschutzplan 2050 definiert, im NEP 2030 weiterhin nicht ausreichend abgebildet. Erst müssen im Szenariorahmen die Eingangsdaten angepasst und neue Marktsimultationen durchgeführt werden. Der Netzentwicklungsplan 2030 ist daher erneut auszusetzen.
  • Energiewende nur unter dem Gesichtspunkt der Elektrifizierung zu verstehen ist zwar auch Sicht der ÜNB nachvollziehbar, kann aber die Realität nicht mehr abbilden. Der Netzstresstest der ÜNB auf Grundlage alternativer Szenarien könnte zwar einen Anhaltspunkt für die künftige, auf erneuerbare Energien ausgerichtete Netzplanung liefern, allerdings muss dabei der Synergieeffekt der Sektorenkopplung berücksichtigt werden um anschließend aufzuzeigen: Das Geschäftsmodell der „Verlängerungskabel“ verliert zunehmend an Bedeutung. Die ÜNB, in erster Linie ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen verpflichtet, weiten unbeirrt ihre Forderungen an Netzausbau im NEP 2030 noch einmal aus, ohne eine ausreichende energieweitschaftliche Begründung geben zu können. Dem muss die BNetzA verstärkt entgegenwirken.
  • Die Auswirkungen der bereits in Bau befindlichen Maßnahmen des sogenannten Startnetzes auf die Systemstabilität und die Systemsicherheit des Übertragungsnetzes müssen nach Inbetriebnahme überprüft werden, bevor neue Leitungsprojekte (für das Zielnetz) endgültig in den Bundesbedarfsplan übernommen werden.
  • Jahrzehntelang wurden Investitionen in die Instandhaltung und Erneuerung von Stromnetzen vernachlässigt. Nun den gigantischen Netzausbau, immerhin laut vorläufigem Prüfergebnis der BNetzA mit 6.450 bestätigungsfähigen Leitungskilometern, der Energiewende zuzuschreiben, ist nicht nachvollziehbar.
  • Der NEP der ÜNB umfasst nur die Stromübertragung im Höchstspannungsnetz. Da die Integration der erneuerbaren Energien hauptsächlich über die regionalen Verteilnetze erfolgt, sind diese in Zukunft vorrangig den daraus entstehenden Anforderungen anzupassen. Die Schnittstellen zwischen Verteil- und Übertragungsnetz müssen optimiert werden.
  • Durch Modernisierung und Ausbau des Verteilnetzes können Netzengpässe verringert werden und je näher die EE-Anlagen an den Verbrauchsschwerpunkten liegen, desto geringer wird der Netzausbaubedarf sein. In Bayern schreitet der Zubau an EE-Anlagen weiter voran und sollten weitere Gaskraftwerke gebaut werden, ist  der Bedarf an Nord-Süd-Verbindungen hinfällig.
  • Die Genehmigung für Netzverstärkungsmaßnahmen, dazu zählt u.a. auch der Neubau einer Leitung in bestehender Trasse, wird vielfach durch ein vereinfachtes Verfahren erwirkt. Man umgeht die Strategische Umweltprüfung und verkürzt die Verfahrensdauer, womit eine Beteiligung der Öffentlichkeit am Planungsverfahren letztendlich nicht möglich ist. Weder Mindestabstände, noch die Risiken erhöhter Strahlenbelastung werden dabei ausreichend berücksichtigt. Das Forschungsprogramm „Strahlenschutz beim Stromleitungsbau“ des Bundesamtes für Strahlenschutz ist erneut eine Verschwendung von Fördergeldern, wenn die daraus gewonnenen Erkenntnisse nicht in die Netzplanung einfließen können.
  • Der Wille, Offshore-Windanlagen unbegrenzt auszubauen, gefährdet das Ökosystem von Nord- und Ostsee in unverantwortlicher Weise. Der Netzausbau an Land, der damit einhergehen soll, ist auch vor dem Hintergrund der tatsächlich realisierten Naubaumaßnahmen (90 km in 2016) illusorisch. Die BNetzA ist sich dessen sehr wohl bewusst und sollte dringend vor Bestätigung des NEP 2030 differenzieren, welche Stromleitungen zur Versorgungssicherheit und welche für den Stromhandel benötigt werden.
  • Mit rasant fortschreitender Weiterentwicklung der Speichertechnologien (PtG-Wirkungsgrad inzwischen bei 77%) wird die Gasinfrastruktur ein unverzichtbares Element des zukünftigen Energiesystems und muss als Entlastungs- und Reduzierungsmöglichkeit für das Stromnetz Berücksichtigung finden. Die einstigen PtG-Pilotprojekte sind marktreif, tragen zur Dekarbonisierung des Energiesystems bei und sind bei entsprechender Förderung konkurrenzfähig. Die Netzentwicklungspläne Strom und Gas müssen daher zusammengeführt werden.
  • Der positive Synergieeffekt der Sektorenkopplung am Energiemarkt kann nur in einem Energieentwicklungsplan abgebildet werden, der die Bereiche Strom-Wärme-Mobilität gemeinschaftlich bewertet. Daher müssen auch jene Vorhaben, die bereits im Bundesbedarfsplan verankert sind, erneut auf ihre energiewirtschaftliche Notwendigkeit überprüft werden.
  • Die deutsche Industrie beklagt hohe Strompreise, Netzentgelte und EEG-Umlage obwohl der private Endverbraucher bereits einen großen Teil der Kosten (5 Milliarden Euro in 2016) mittragen muss. Ein Systemwechsel von AC auf DC könnte in ferner Zukunft zwar Thema werden, aber zwei unterschiedliche Netzsysteme parallel zu betreiben ist wirtschaftlich und ökologisch nicht vertretbar. Auch Stromhandel muss den Klimazielen untergeordnet werden. Ein DC-Overlay Netz, (von der Allgemeinheit bezahlt, von der Industrie genutzt) ist aus diesem Gesichtspunkt abzulehnen.
  • Wenn durch Ad-Hoc-Maßnahmen eine Beschleunigung des Netzausbaus angestrebt wird, darf dies nicht durch Einschränkung der Bürgerrechte Es bleibt zu befürchten, dass verkürzte Planungsverfahren erneut Umwelt- und Naturschutzbelange ausblenden und für die betroffene Bevölkerug eine unzumutbare Mehrbelastung darstellen.

Durch massive Zerstörung von natürlichen Lebensräumen (ob an Land oder auf See) wird die Energiewende in Misskredit gebracht. Vor allem der Versuch, den Umbau des Energiesystems der Großindustrie zu überlassen, konterkariert den Grundgedanken der dezentralen und regionalen Energieerzeugung und -versorgung auf Basis der erneuerbaren Energien unter Beteiligung von Bürgerenergiegenossenschaften.  Dass professionelle Windkraft-Projektierer inzwischen den Wettbewerbsvorteil der Bürgerenergie durch im wahrsten Sinne „windige“ Geschäftsmodelle für sich nutzen, ist spätestens seit der letzten Ausschreibung für Windenergieanlagen an Land kein Geheimnis mehr.

Auch ÜNB beeinflussen den Stromnetzausbau schon gezielt vor Genehmigung der Trassen. Das Umspannwerk in Mecklar wurde von ÜNB TenneT bereits ausgebaut und somit die Vorausssetzungen u.a. für den Bau von P43/P43mod geschaffen, obwohl der energiewirtschaftliche Bedarf dieser Maßnahme/n erst eindeutig geklärt werden muss. Ebenso wurden in Bergrheinfeld Flächen für eine mögliche Konverterhalle für SuedLink frühzeitig erworben, auch dort will man Tatsachen schaffen. Andererseits verhindern zeitversetze Planungsverfahren die Möglichkeit der Bündelung und gleichzeitigen Erdverkabelung beider Maßnahmen. Das Bemühen um Akzeptanz ist nicht mehr vorrangig, Hauptsache der Netzausbau wird zügig umgesetzt, die Bürgebeteiligung wird zunehmend zur „Alibiveranstaltung“.

Geht es hier tatsächlich noch um Energiewende? Wir haben berechtigte Zweifel.

(Stellungnahme wurde fristgerecht bei der BNetzA eingereicht: Burghaun, 14.10.2017)