Bürgerfreundlicher Netzausbau? Fehlanzeige!

Das politische Tagesgeschehen ist zur Zeit geprägt von Flüchtlingsdramen und Bürgerkriegen, Naturkatastrophen und Terroranschlägen, von TTIP und CETA, von Glyphosat und Klimawandel, um nur einige Schlagzeilen der letzten Wochen aufzugreifen. Wird Deutschland diesen Herausforderungen und seiner internationalen, aber vor allem auch nationalen Verantwortung gewachsen sein? Kann man von der Bundesregierung erwarten, mit Weitblick und Diplomatie einen  wichtigen Beitrag zu leisten um diese Krisen zu meistern und den aufkeimenden gesellschaftlichen Unfrieden im eigenen Land zu stoppen?

Nicht unerheblich werden auch die energiepolitischen Entscheidungen sein, die wir in Kürze erwarten können. Deutschland steht am Scheideweg. Zentrale Energieversorgung, in der Hand großer Konzerne oder Ausweitung dezentraler Energiekonzepte mit Wertschöpfung in den jeweiligen Regionen? Auch ein überdimensionierter Netzausbau verursacht Kosten, aber dieses Thema wird nach wie vor gemieden, obwohl immer mehr Experten warnen, dass gerade dadurch die Energiewende gefährdet sein könnte, denn die ungebremste Einspeisung von Kohlestrom wird als Hauptursache für die HGÜ-Leitungen aufgeführt.

KIEBITZGRUNDaktiv konnte/musste in den letzten Wochen viele Termine im Bürgerdialog wahrnehmen. (Anmerkung der Redaktion: Die treuen Leser dieser Seite mögen verzeihen, dass  dadurch in letzter Zeit neue Beiträge etwas zu kurz kamen) Doch ob die zahlreichen Gespräche letztendlich dazu beitragen konnten, die Meinungsbildung der Entscheidungsträger im Sinne einer verantwortungsvollen Energiepolitik zu beeinflussen wird sich zeigen.  Der Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen SuedLink (dem auch KIEBITZGRUNDaktiv angehört) steht für eine Energiewende, die sich schrittweise hin zur letztendlich 100%igen Versorgung mit Erneuerbaren Energien bewegt und ist  überzeugt, dass man hierzu den  SuedLink nicht braucht.

Hatte man vor Wochen noch den Eindruck es würde sich auf dem politischen Parkett etwas bewegen, muss man jetzt – kurz vor den Entscheidungen – befürchten, dass viele Versprechungen nur Schall und Rauch waren und einzig dazu dienten, den Bürgerprotest zu zerschlagen. Erdverkabelung war das Zauberwort und scheinbar hatte man damit den Nerv vieler Bürger getroffen. Die lauten Proteste verstummten, die betroffene Bevölkerung wähnte sich in Sicherheit – und vertraute auf Eckpunktpapiere und vollmundige Presseerklärungen der Koalitionsspitzen.

Doch in den letzten Tagen wird der Ton rauer und nach altbewährtem Muster werden wieder Meldungen gestreut um Ängste bei den Menschen zu schüren. Überall hört und liest man: Der Strompreis wird steigen – die Wirtschaft wird darunter leiden – Industrie wird abwandern  – Arbeistplätze sind in Gefahr, usw. Wir kennen diese Geschichten zur Genüge und dürfen daher nicht müde werden, die wahren Hintergründe aufzudecken, denn  leider lassen uns  die Medien wieder einmal im Stich. Zumindest vom öffentlich rechtlichen Fernsehen hätte man mehr Objektivität erwarten können, aber auch hier wird mit falschen Fakten Stimmung gemacht. Schlechte Recherche oder bewusste Irreführung? Vielleicht sogar beides.

„Bürgerfreundlicher Netzausbau“ – die  Regierungsspitzen einigten sich im Juli 2015 auf überwiegende Erdverkabelung beim Neubau der HGÜ-Leitungen SuedLink und Süd-Ost-Trasse, um dem Bürgerprotest  Rechnung zu tragen. Natürlich sollte auch die Gesetzeslage dementsprechend angepasst werden… Am 14.10.2015 findet dazu die Anhörung im Bundesrat statt. Die Liste der Sachverständigen ist lang, von den Übertragungsnetzbetreiber TenneT und Amprion über die DUH bis hin zu Landrat Tjark Bartels (Hamelner Erklärung) – aber Vertreter der Bürgerinitiativen fehlen, kritische Stimmen werden ausgeblendet.

Was jetzt geschieht, ist beispielhaft für politische Machtspiele,  Schwarzmalerei und erinnert an mafiöse Erpressungsversuche. Niemand spricht von den Versäumnissen der Vergangenheit, als das Augenmerk der Energiekonzerne und Netzbetreiber (Übertragung und Verteilung) einzig auf Profit und nicht auf zuverlässige Versorgung gerichtet war. Und niemand spricht von einer EEG-Umlage die hauptsächlich deshalb steigt, weil immer mehr energieintensive Industriebetriebe davon befreit werden. Gleiches gilt übrigens für die Netzentgelte.

Wenn Mario Barth in seiner Fernsehshow die maßlose Verschwendung von Steuergeldern bei den bundesweit bekannten Bauprojekten anpranget, geschieht dies im Stil  einer BILD-Zeitung und ist lediglich der Einschaltquote geschuldet. Man wird damit weder der Ernsthaftigkeit des Problems gerecht, noch wird dadurch eine lösungsorientierte Auseinandersetzung mit den Hintergründen einer verfehlten Planungs- und Finanzierungspolitik angeregt.

Das Anliegen vieler Bürgerinitiativen den notwendigen Stromnetzausbau massvoll umzusetzen, wird politisch gerne ignoriert und belächelt, lieber warnt man vor steigenden Strompreiskosten durch Erdverkabelung, auch wenn es sich hierbei nur um Centbeträge handlen würde. Das politische Ränkespiel geht in die nächste Runde und angesichts der vielfältigen Probleme die  die Bundesregierung derzeit belasten, von Flüchtlingspolitik über Griechenlandhilfe bis Freihandelsabkommen lassen befürchten, dass man der Energiepolitik gerade jetzt in der Entscheidungsphase nicht die Aufmerksamkeit schenkt, die sie eigentlich verdient. Als kritische Bürger haben wir keine Lobby und auch keine Medienpräsenz, aber wir haben eine Stimme – bei der nächsten Wahl!