Mogelpackung Stromtrassen

Ein kleiner Beitrag im HR Fernsehen – mit kritischem Blick auf den geplanten Netzausbau – gibt den Gegnern der großen HGÜ-Stromtrassen für sechs Minuten eine Plattform. Die positive Ressonanz – auch in den sozialen Medien – ist erstaunlich und gibt uns Mut, unsere Arbeit fortzuführen.

Quelle: http://www.hr-fernsehen.de und http://www.ardmediathek.de

Auch in der Talkshow von Markus Lanz wurde am selben Abend kurz über das Thema Stromnetzausbau gesprochen. Allerdings, was der Moderator da von sich gibt, ist nur auf stümperhafte Recherche oder – trotz gegenteiliger Behauptung – auf Desinteresse zurückzuführen. Und Schleswig-Holsteins Umweltminister Habeck hilft ihm auch noch dabei. Das ist unterverantwortlich!

Es ist unverantwortlich ein ernstes Thema wie den Stromnetzausbau derart unprofessionell, flapsig und mit falschen Thesen untermauert einer breiten Öffentlichkeit vor die Füße zu werfen. Eine Talkshow, in diesem Fall mehrmals wöchentlich, hat verständlicherweise vorrangig unterhaltenden Charakter. Herrn Lanz fehlt daher die Zeit für eine sorgfältige Hintergrundrecherche seiner Themen, vielleicht auch das Interesse. Dennoch ist es erstaunlich, dass im öffentlich rechtlichen Fernsehen ein Talkmaster und ein „grüner“ Umweltminister derart abstruse Halbwahrheiten in den Raum stellen können. Uns Bürgerinitiativen wird oft fehlender Sachverstand vorgeworfen, obwohl wir uns für das Gelingen der Energiewende einsetzen und dabei von zahlreichen Energieexperten unterstützt und unsere Vorstellungen von Studien untermauert werden.

Im Gegensatz zu Herrn Lanz suchen wir allerdings nicht den Applaus, sondern möchten eine Energiepolitik mitgestalten, mit den Menschen und für die Menschen, die im Einklang mit Umwelt- und Naturschutz eine tatsächliche Energiewende bewirkt.

Bei unbequemen Fragen zur Notwendigkeit des überdimensionierten Übertragungsnetzausbaus will niemand die Verantwortung übernehmen und so spielt man den Ball einfach weiter,  von den Übertragungsnetzbetreibern auf die verfahrensführende Bundesoberbehörde (Bundesnetzagentur), von dieser an die Politik und umgekehrt.

Welche Rolle spielen dabei die Medien?

Investigativer Journalismus findet in dieser schnelllebigen Zeit nur selten statt, vorgefertigte Meinungen werden oft nicht hinterfragt. Strom muss vom Norden in den Süden. Ganz einfach. Ein PR Gag, der sich seit Jahren wunderbar verkauft. Dazu passend in der Talkshow:

Von Energiewende sprechen und dabei kein einziges Wort über Kohleverstromung in Zusammenhang mit den neuen Stromtrassen verlieren. Auch nicht über Kohlekraftwerke, deren Strom die Leitungen „verstopft“, weil sie nicht flexibel genug abgeregelt werden können, oder dass auch Kohlestrom massiv subventioniert und durch billige CO2-Zertifikate Klimaschutz vorgetäuscht wird. Dass Importe von billiger Steinkohle aus Kolumbien unter Missachtung aller ethischen und umweltpolitischen Richtlinien gebilligt werden, oder für Braunkohleabbau noch heute Dörfer in Deutschland weichen müssen. Herr Lanz bleibt sprachlos.

Das kontinuierliche Ansteigen der EEG-Umlage den erneuerbaren Energien zuzuschreiben und nicht u.a. den großzügig gewährten Industrierabatten, die in 2016 immerhin mit 5 Milliarden Euro von der Allgemeinheit bezahlt wurden, ist irreführend. Regionale, dezentrale Möglichkeiten regenerativer Erzeugungs- und Verbrauchsstrukturen und die wichtige Rolle der Verteilnetze für die Energiewende werden erst gar nicht erwähnt.

Stromnetze, die auf Erzeugung und nicht auf Bedarf ausgerichtet werden, werden als notwendig für die Allgemeinheit bezeichnet, während einzig die Industrie von europaweitem Stromhandel und sinkenden Strompreisen profitieren wird. Der Strommix in diesem Handel wird jedoch nicht hinterfragt. Wer den Ausbau der Stromnetze letztendlich auch über Netzentgelte bezahlen muss, interessiert niemanden. Dass hingegen die hohen staatlich garantierten Renditen für den Bau der HGÜ-Leitungen Begehrlichkeiten bei Übertagungsnetzbetreibern wecken könnten, die vorrangig eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen, scheint nicht unterhaltsam genug zu sein.

Ein gigantisches Infrastrukturprojekt ohne verlässliche Kosteneinschätzung – es erübrigt sich die bekannten Negativbeispiele zu erwähnen – als innovatives Energiewendeprojekt zu bezeichnen, ohne Umweltauswirkungen und gesundheitliche Risiken auch nur anzusprechen, ist allerdings fahrlässig.

Herr Habeck philosophiert über Stromleitungen, die in einigen Jahren überflüssig werden könnten und bezeichnet gleichzeitig Speichertechnologien sozusagen als „just for fun“ Übergangslösung. Die Politik ist zu doof (O-Ton Habeck) und vor Innovationen und Technologieentwicklung hat man Angst. Da freut man sich auf die weiteren Koalitionsverhandlungen.

Wir sind nicht der kleine Mann, bzw. die kleine Frau – wir sind der Souverän. Wir erwarten, dass man uns nicht für dumm verkauft. Weder in Talkshows, noch in der Politik. Verantwortungsvolle Politik braucht einen konstruktiven Realitätssinn. Auch wir haben Vertrauen in die Dynamik technischer Entwicklung, auch wir haben Visionen und sehen viele Möglichkeiten, wie Energiewende gelingen könnte. Verlängerungskabel von Nord nach Süd in der derzeit angestrebten Form gehören nicht dazu.