Stellungnahme zum Szenariorahmen 2030

Die Bundesnetzagentur ermöglicht der Öffentlichkeit die Bewertung des Szenariorahmens 2030 durch Einreichen einer entsprechenden Stellungnahme. Durch begleitende Bürgerveranstaltungen mit Workshops in verschiedenen Regionen und erläuternden Fachgesprächen sollte die Akzeptanz für den Netzausbau in der Bevölkerung erhöht werden.

Zugegeben, als „Nicht-Ingenieur“ ist es äußerst schwierig, die Technik hinter einem gut funktionierenden Stromnetz zu begreifen und zu verstehen. Aber viele Fragen ergeben sich aus der Betrachtung des gesamten Energiesystems mit dem eigentlichen Ziel, die Welt vor einer weiteren Erderwärmung zu schützen und gesetzte Klimaziele zu erreichen.

Der Szenariorahmen bildet die Grundlage für die Erstellung des nächsten Netzentwicklungsplanes und liegt in der Verantwortung der vier Übertragungsnetzbetreiber TenneT, Amprion, 50Hertz und TransnetBW.  In verschiedenen Szenarien soll die voraussichtliche Entwicklung auf dem Energiemarkt abgebildet werden, mit dem Ziel die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten und den Netzausbau gleichzeitig auf Wirtschaftlichkeit und ökologische Nachhaltigkeit auszurichten. Bereits in Szenario A wird deutlich, dass die Klimaziele nicht erreicht werden – „Wozu dann überhaupt in Betracht ziehen?“, fragt sich der einfache Bürger. Zufriedenstellende Antworten erhält man darauf nicht.

Unsere Stellungnahme zum Szenariorahmen 2030 soll als kleiner Beitrag zur konstruktiven Bürgerbeteiligung verstanden werden und versucht aus unserer Sicht wichtige Punkte kritisch zu beleuchten. Die Frist zur Stellungnahme endet am 22.02.2016, wer möchte, kann nachfolgende Erklärung gerne als Input für ein eigenes Statement verwenden.

Stellungnahme zum Szenariorahmen 2030

Der aktuelle Entwurf des Szenariorahmens 2030 entspricht in vielen Teilen nicht unseren Vorstellungen einer verantwortungsvollen und zukunftsorientierten Netzplanung im Sinne einer bürger- und umweltfreundlichen Umsetzung der Energiewende.

Fakten, die bei der Erstellung aller Szenarien gelten:
  • Ausstieg aus der Atomenergie bis 2020 ist beschlossen
  • Fossile Brennstoffe sind endlich, Ressourcen müssen geschont werden
  • Versorgungssicherheit hat oberste Priorität
  • Klimaziele festgelegt, mit Eindämmung der Erderwärmung auf 1,5°
  • Kohleverstromung ist maßgeblich für CO2 Emissionen verantwortlich
  • Ziel ist die 100%ige Versorgung durch Erneuerbare Energien
  • Ohne Speicher- und Effizienztechnologien keine Energiewende

Wir erkennen, dass ein Ausbau der Stromnetze erforderlich ist, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, weigern uns aber für einen Netzausbau zu bezahlen, der den Versäumnissen der Vergangenheit geschuldet ist, als Netzbetreiber und Stromkonzerne einzig auf ihre eigene Gewinnoptimierung fokussiert waren. HGÜ-Trassen werden hauptsächlich für den internationalen Stromhandel geplant und ermöglichen weiterhin die uneingeschränkte Einspeisung von Kohle- und Atomstrom.

Das Zielsystem der Energiewende – die notwendigen Voraussetzungen einer Energieversorgung mit 100% Erneuerbarer Energie – ist in einem eigenen Zielszenario abzubilden!

Ein Szenariorahmen bildet die voraussichtliche Entwicklung der Energieversorgung der Zukunft ab. Daher regen wir die Beachtung nachfolgender Überlegungen an, um zielorientiert die Voraussetzungen zu schaffen, die eine Energieversorgung aus 100% Erneuerbarer Energie ermöglichen. Heute müssen die Weichen gestellt werden, wir können uns keine Umwege leisten, um die Energiewende zum Erfolg führen zu können.

Forderungen und Eingangsparameter:

1. Grundsätzliche Bedingungen

  • Bedarfsermittlung für Stromnetze ist nicht Aufgabenbereich der ÜNB
  • Die garantierte Eigenkapitalrendite von über 9% ist der wirtschaftliche Anreiz für ÜNB
  • Unabhängige und transparente Planung erforderlich

2. Kohleverstromung ist maßgeblich für Netzausbau verantwortlich

  • Die installierte Braunkohleleistung muss reduziert werden
  • Keine Ausbaueinschränkungen bei EE-Anlagen zugunsten der Kohlekraftwerke
  • Rechtzeitige Umstrukturierungskonzepte für einen sozialverträglichen Kohleausstieg
  • Nationale Klimaziele konsequent umsetzen – energiepolitische Weichen stellen
  • Systematische Abschaffung umweltfeindlicher Subventionen (Öl, Kohle)
  • Keine Wettbewerbsverzerrung durch günstige Emissionszertifikate

3. Versorgungssicherheit / Dezentralisierung

  • Erzeugungsstruktur auf Basis der Erneuerbaren Energien Wind, Sonne, Biomasse
  • Förderung von regional wertschöpfenden Energiekonzepten
  • Schaffung von Investitionsanreizen für Bürgergesellschaften
  • Einsatz von regionalen Speichern und Ausbau von KWK-Anlagen
  • Gezieltes Lastmanagement reduziert den Übertragungsnetzbedarf
  • Verteilnetz nach NOVA-Prinzip optimieren und verstärken
  • Anlagenbau in Nähe der Verbrauchszentren – Norden für Norden, Süden für Süden
  • Kleine PV-Anlagen sollten durch die EEG-Umlage nicht verstärkt belastet werden
  • Konsequentes Change Management, geeignete politische Rahmenbedingungen

4. Netzentwicklungspläne Strom und Gas gemeinsam konzipieren

  • Flexible Netzplanung sollte auf Speichertechnologien ausgelegt sein, dezentral und zentral
  • Stromhandel darf nicht zu Überproduktion in fossilen/atomaren Erzeugerstrukturen führen
  • Kostengegenüberstellung Redispatch und Netzneubau / Verhältnismäßigkeit prüfen
  • HGÜ-Leitungen im Störfall Risiko für Versorgungssicherheit
  • Netzentwicklung für Strom und Gas zusammenzufassen / harmonisieren
  • Unterscheidung zwischen Strom-Transport und Speicherung verringert Netzausbau
  • Stromnetz darf nicht als großes Speichermedium betrachtet werden
  • Integration von PtG in die Kraftstoffgesetzgebung
  • Abbau von Dieselsubventionen
  • Förderprogramme für Wasserstofftankstellen
  • Ausbau zentraler und dezentraler Speicheranlagen
  • Strom- und Gasnetzplanung ressortübergreifend konzipieren (Speichertechnologien)
  • Die Bereiche Strom-Wärme-Mobilität systemtechnisch miteinander verknüpfen

5. Energiepolitische Ziele im Hinblick auf Europa und der nationalen Verantwortung

  • Energieunion nur bei gemeinsamer Zielausrichtung zur Systemumstellung auf EE
  • Forschungsprojekte bei Speichertechnologien durch EU-Fördergelder unterstützen
  • Verstärkte Investitionsanreize in Erneuerbare Energien für alle EU-Länder schaffen
  • Anreize für einen Systemumbau in energieintensiven Industriebetrieben schaffen
  • Alle Staaten sind verpflichtet Umweltvorschriften und Sicherheitsauflagen einzuhalten
  • EU-Energiebinnenmarkt darf die Systemumstellung auf EE nicht konterkarieren
  • EU-Regulierungsbehörden dürfen die deutsche Energiewende nicht verzögern
  • Kein erweiterter Netzausbau, der Deutschland zum Transitland für Kohle- und Atomstrom degradiert

 6. Bürgerdialog und Transparenz / Rolle der Bundesnetzagentur

  • Der Weg ist das Ziel
  • Akzeptanz für Netzausbau nur durch ehrliche und transparente Kommunikation möglich
  • Die Forderungen der Bürger aufgreifen und in einem eigenen Szenario darstellen
  • Planung mitgestalten und nicht in die alleinige Verantwortung der ÜNB legen
  • Anregungen/Empfehlungen an die Politik weitergeben
  • Bürger bezahlen den Netzausbau, haben daher ein Recht auf Berücksichtigung ihrer Belange
  • Bundesfachplanungsbeirat stellt Bindeglied zu Politik dar, Einflussnahme daher möglich

Wir sind der Auffassung, wenn sich der Szenariorahmen 2030 nach den oben genannten Gesichtspunkten ausrichtet und den Speichertechnologien durch die gemeinsame Betrachtung der Energiesektoren Strom-Wärme-Verkehr die notwendige Beachtung geschenkt wird, könnte der geplante Netzausbau reduziert werden. Die Integration der EE durch Wasserstoffgewinnung für emissionsfreie Mobilität, setzt heute schon Maßstäbe.

Wasserstoff aus erneuerbarem Strom könnte in allen Energiesektoren eingesetzt werden, auch als Chemierohstoff oder mittels Brennstoffzellen zur Kraft-Wärme-Kopplung und ist für die Versorgung von Haushalten mit Strom und Wärme ebenso geeignet. Dieser ergänzende Lösungsansatz sollte im Szenariorahmen 2030 deutlich abgebildet werden.

Schnell regelbare Gaskraftwerke sollten fester Bestandteil des Anlagenparks sein, da sie einerseits die Klimabilanz verbessern können, ihr flexibler Einsatz auch den Einsatz der Erneuerbaren Energien erleichtern  und somit zusätzlich das Stromnetz entlasten kann. Das bereits bestehende gut ausgebaute Gasnetz ist bestens als Energiespeicher der Zukunft geeignet und muss in allen Planungen einen bedeutenden Stellenwert einnehmen.

Ausschließlich das Stromnetz als Speicher zu betrachten, ist hingegen weder ökologisch noch volkswirtschaftlich vertretbar und führt zu einem überdimensionierten Netzausbau.

Wenn in einem Europäischen Energiebinnenmarkt fossile Energien ohne nennenswerte Einschränkungen, weder durch CO2 Emissionszertifikate, noch durch Subventionsabbau für Kohlekraftwerke, am Markt gehalten werden und den Stromhandel maßgeblich bestimmen, wird die Energiewende unnötig verzögert und die Klimaziele von Paris werden nicht erreicht werden. Wenn dann gleichzeitig der Bau von Atomkraftwerken mit EU-Mitteln gefördert wird und alte Atommeiler unnötig am Netz gehalten werden, dann ist der Widerstand der Bürger gegen den Netzausbau auch aus ethischen Gründen nachvollziehbar.

Mit freundlichen Grüßen

Maria Quanz
BI Sprecherin KIEBITZGRUNDaktiv
Bürgerinitiative gegen SuedLink