Konsultationsmarathon zum Stromnetzausbau

Beitragsbild: TenneT TSO GmbH


Wieder hat eine neue Konsultationsrunde – diesmal zum Szenariorahmen Strom 2030 – begonnen. Die Bundesnetzagentur bietet der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit zur Diskussion an und will in verschiedenen Workshops über den notwendigen Netzausbau informieren, aber auch jedem die Möglichkeit zu einer eigenen Stellungnahme bieten.

Durch neue gesetzliche Regelungen werden Szenariorahmen und Netzentwicklungspläne in Zukunft nur mehr alle zwei Jahre zur Konsultation gestellt. Diese Entwicklung ist zu begrüßen, denn der Zeitaufwand für die diversen Stellungnahmen ist enorm und für viele Bürgerinitiativen eine große Herausforderung. Vor wenigen Tagen war gerade erst die Frist zur Konsultation des Netzentwicklungsplanes 2025 abgelaufen, nun sollen wir innerhalb von vier Wochen (bis zum 22.02.2016) den von den Übertragungsnetzbetreibern erstellten Szenariorahmen 2030 kommentieren.

Der Szenariorahmen beinhaltet vier verschiedene Szenarien, die die wahrscheinliche Entwicklung der Stromerzeugung, des  Stromverbrauches und der energiepolitischen Rahmenbedingungen bis zu den Jahren 2030 bzw. 2035 erfassen sollen. Jedes Szenario wird anhand unterschiedlicher Schwerpunkte erstellt.

Als wichtiger Faktor für die weitere Netzplanung wird jedoch auch die Verknüpfung mit den europäischen Energie-Szenarien des TYNDP / ENTSO-E gesehen. Wessen Interessen hierbei im Vordergrund stehen, gilt es zu beleuchten. Denn trotz Weltklimagipfel von Paris, die Energiekonzepte unserer Nachbarstaaten sind teilweise besorgniserregend. Auch die maroden Atomreaktoren in Belgien sorgen wieder für negative Schlagzeilen und haben bereits viele Umweltaktivisten auf den Plan gerufen. Es ist wichtig, dass wir alle energiepolitischen Entwicklungen und Entscheidungen weiterhin kritisch begleiten. Die Gleichstromtrasse SuedLink wirft hierbei nach wie vor viele Fragen auf.

Der Szenariorahmen – zentrale Rolle in der Übertragungsnetzplanung

Niemand kann mit Bestimmtheit sagen, wie sich der  Energiebedarf in den nächsten Jahren tätsächlich entwickeln wird. Also orientiert sich die Netzplanung an einer möglichen Entwicklung der  Stromerzeugung und einem fiktiven Stromverbrauch. Je nach Einstellung der Parameter, ändert sich der ermittelte, notwendige Netzausbau.

Nach welchen konkreten Rechenmodellen die Netzplanung erfolgt, ist ein gut gehütetes Geheimnis der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB). Auch die indirekte Konkurrenz zwischen Verteilnetzbetreibern und ÜNB scheint hierbei eine Rolle zu spielen. Doch wer dreht an der Stellschraube zur Bedarfsermittlung? Die Ausarbeitung eines Szenariorahmens legt den Grundstein für die weiteren Netzplanungen und dabei ist die Einbeziehung der Bürgerinteressen unerlässlich. Die Auswirkungen des Netzausbaus auf Mensch und Natur sollten so gering wie möglich sein und in allen Szenarien vorrangig berücksichtiget werden.

Beispiel: Szenario A des aktuellen Szenariorahmens 2030 wurde anhand alter Denkmuster und Strukturen erstellt und hat eigentlich keine Berechtigung, als Grundlage für einen Netzentwicklungsplan der Zukunft zu dienen. Das Erreichen der Klimaschutzziele ist durch die Annahme einer langfristigen  Einbindung von Braunkohle- und Steinkohlekraftwerken in die deutsche Energieversorgung nicht zu erreichen. Die uneingeschränkte Einspeisung von Kohlestrom in das Übertragungsnetz verstärkt den Bedarf an Stromleitungen und ist daher für die Überdimenionierung der Netzplanung mitverantwortlich. Das am Weltklimagipfel vereinbarte Ziel der Dekarbonisierung wird hiermit konterkariert. Allein die sieben klimaschädlichsten Braunkohlekraftwerke Deutschlands sind für einen Treibhausgas-Ausstoß von 140 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich. Alle Themen der Zukunft – Dekarbonisierung, Ausbau von erneuerbaren Energien, Weiterentwicklung von Speichermöglichkeiten – werden in diesem Szenario nachrangig behandelt. Obwohl die Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien jedes Jahr steigt, wird weiterhin uneingeschränkt Kohlestrom produziert und zunehmend exportiert. Der Kohlestromexport in 2015 ist gegenüber dem Vorjahr um 50% gestiegen.  Die zukünftige Transportaufgabe des Übertragungsnetzes kann nicht darin bestehen, allen möglichen Stromerzeugern ein Netz der Superlative zu bieten, nach dem Motto jede erzeugte Kilowattstunde wird auch transportiert, der Stomhandel darf dem eigentlichen Energiebedarf nicht übergeordnet sein.

Als Konsultationsteilnehmer sollten wir uns kritisch zu den einzelnen Szenarien äußern und in unseren Stellungnahmen erneut die Erstellung eines HGÜ-freien Szenarios  einfordern. Was wäre wenn? Der Ausbau der Erneuerbaren Energien schreitet voran, im Jahr 2015 betrug ihr Anteil an der Stromerzeugung bereits 30%. Die Speichertechnologie wird zum Schlüsssel für den Erfolg der Energiewende werden, daher sollte sie in jedem Szenario gebührend integriert sein. Denzentrale Strukturen mit verbrauchsnaher Erzeugung und eine flexible Netzplanung, die auf die Weiterentwicklung neuer Techniken schnell reagieren kann, sind grundlegende Voraussetzungen für den nächsten Netzentwicklungsplan. Die Energieeffizienz wird ebenfalls eine wichtige Rolle spielen und die Industrie hat bereits erkannt, dass dies für die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe ausschlaggebend sein wird. Die Zeichen der Zeit erkennen und Verantwortung übernehmen – Innovation stärken und alte Strukturen abbauen – das fordern wir von Politik und Wirtschaft. Unsere Stellungnahmen zum Szenariorahmen 2023 werden dies unterstreichen.