Europa droht

Noch nie gab es so viele Statements zur Megastromtrasse SuedLink wie in den letzten Tagen. Jeder äußert seine Meinung, fachlich fundiert oder emotional begründet, man will mitreden. Unser Ziel, die Menschen aufzuklären und zu informieren – man erinnere sich an die Anfänge unserer Bürgerinitiative – haben wir somit erreicht. Jetzt kann die Diskussion auf Augenhöhe geführt werden, denn jetzt wissen die Menschen, worum es geht.

Möchte man eigentlich meinen. Doch seit das Thema SuedLink und der geplante Netzausbau mehr Beachtung finden, lehnen sich viele schon zurück und denken das Ziel, diesen überdimensionierten Stromleitungsbau zu verhindern, sei bald erreicht. Doch betrachtet man die Entwicklung auf politischer Ebene stellt man fest – der Kampf hat gerade erst begonnen.

Europa schaltet sich jetzt öffentlich ein. Brüssel drängt auf Entscheidung und droht Deutschland. Miguel Arias Cañete, seit 2014 EU-Kommissar für Klimaschutz und Energie:

 „Die deutschen Stromautobahnen wurden von der EU-Kommission als europäisches Projekt von gemeinsamem Interesse eingestuft“, sagt er. „Obwohl es sich um innerdeutsche Leitungen handelt, haben sie einen direkten Einfluss auf andere EU-Länder.“ Ihr rascher Bau sei „wichtig für den Aus- und Aufbau eines europaweiten Stromnetzes“ und damit auch „für die Umsetzung des EU-Energiebinnenmarktes mitsamt der Integration von erneuerbaren Energien“, sagt der EU-Kommissar. (Quelle: Spiegel)

In diesem Zusammenhang versteht sich auch die „Strombrücke“ nach Norwegen. Nicht ohne Grund wird diese Verbindung NordLink genannt – sozusagen der Bruder der geplanten Stromautobahn SuedLink. Das Gleichstrom-Seekabel mit einer Länge von über 600 km und einem Investitionsvolumen von ca. 2 Mrd. Euro soll zukünftig die Leistung eines Atomkraftwerkes ersetzen und den Stromhandel erleichtern. Bundeswirtschaftsminister Gabriel sieht darin ein wichtiges Signal für den Europäischen Strommarkt – und natürlich auch einen Schritt zu mehr Versorgungssicherheit in Deutschland. Endpunkt von NordLink ist der Anfangspunkt von SuedLink: Wilster. Jetzt wurde der Vertrag zum Bau von NordLink unterzeichnet, TenneT und die deutsche Staatsbank KfW halten jeweils 25%.

Dieser Satz unseres Bundeswirtschaftsministers sollte uns endgültig die Augen öffnen. Zwar wurde er im Zusammenhang mit TTIP und CETA geäußert, doch spiegelt er die Meinung des Ministers von seinen Wählern (von uns) wider:

„Vielleicht ist die Debatte in Deutschland manchmal so schwierig, weil wir ein Land sind, das reich und hysterisch ist.“

Ja, Deutschland ist ein reiches Land – aber diesen Reichtum haben wir uns hart erarbeitet. Wenn nun einige Machtmenschen und Profilneurotiker diesen Reichtum in oft verantwortungsloser Weise aufs Spiel setzen, Entscheidungen treffen, die mit „zum Wohle der Allgemeinheit“ rein gar nichts zu tun haben, dann haben wir jedes Recht uns dagegen zu wehren.

Dies als Hysterie zu bezeichnen lässt erkennen, dass hier Minister Gabriel die Realität aus den Augen verloren hat. Die Welt wächst zusammen, das ist richtig. Die Grenzen verschwinden zunehmend auch das ist im Prinzip wünschenswert. Doch hinter jeder Chance verbirgt sich auch ein Risiko. Denn viele Staaten, nicht nur unsere europäischen Nachbarn, haben teilweise ganz andere energiepolitische Ziele.

Es gibt bald 500 Atomkraftwerke weltweit

Einige Beispiele: Russland baut neue Atomkraftwerke in Ungarn. In der Türkei sollen vier Reaktoren auf erdbebengefährdetem Gebiet errichtet werden. Die Rückkehr zur Atompolitik soll Japan einen Wachstumsimpuls verleihen, man spricht von umweltfreundlicher Energiegewinnung im Sinne des Klimaschutzes. Welch ein  Hohn für die Menschen, die seit Jahren unter Verstrahlung leiden, für immer aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Ein Menschenleben zählt NICHTS.

Atomkraft-Gegner rund um den Globus sind dagegen entsetzt, dass ausgerechnet im Land des Fukushima-Gaus nun die Atomkraft zum großen Comeback ansetzt. Doch in Wahrheit folgt Japan nur einem verblüffenden globalen Trend. Keine vier Jahre nach der Katastrophe meldet die Internationale Atomenergiebehörde IAEA: Es gibt einen weltweiten Boom der Kernenergie. Nicht weniger als 72 neue Atomkraftwerke sind derzeit im Bau. Damit wird die magische Marke von 500 Kernkraftwerken bald überschritten. (Quelle:n-tv/politik)

Solange  weiterhin Atomkraftwerke gebaut werden, stellt sich auch irgendwann die Frage: Wohin mit dem Atommüll? Soll Deutschland auch dann seiner europäischen Verpflichtung nachkommen? Haben nur wir eine Lehre aus den Katastrophen der vergangenen Jahre gezogen? Erschreckend, wie unverantwortlich und teilweise zynisch mit diesem hochgefährlichen Thema umgegangen wird.

Daher erneut der Appell an alle Mitstreiter im SuedLink-Protest. Nicht müde werden, weiterhin anprangern und aufdecken, welche Machenschaften hinter dieser angestrebten Energiepolitik stecken. Klimaschutz steht nicht im Vordergrund, auch nicht Erneuerbare Energien. Es soll so viel Stromenergie wie nur irgendmöglich produziert werden. Dieses Handelsfeld und den daraus zu erwartenden Gewinn fest im Blick, kann man über menschliche Schicksale leicht hinwegsehen.

Gerade sind Wissenschaftler gestartet, um die Welt in einem Solarflugzeug zu umrunden. Es gibt sie noch, die Pioniere und Enthusiasten und dies sollte für uns ein Zeichen der Hoffnung sein. Umweltfreundliche Energien müssen auch künftig erforscht und weiter entwickelt werden. Noch ist es nicht zu spät unsere Welt auch für nachfolgende Generationen lebenswert zu gestalten. Jeder muss seinen Beitrag dazu leisten und in diesem Zusammenhang sind auch die Schilderungen von unserem Astronauten Alexander Gerst zu verstehen:

Aus der Ferne gesehen, ist unser Planet nur ein blauer Punkt, ein zerbrechliches Raumschiff für die Menschheit. Wir müssen das Universum verstehen, in dem wir leben, um unseren Heimatplaneten zu schützen. (Zitat: Alexander Gerst)